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Osterwanderung auf dem Eichsfeldrundweg Teil 11 von Wahlhausen nach Rustenfelde am 04.04.2021

Da wir mit dem Zug anreisen, startet unsere Wanderung in Bad Sooden-Allendorf. Um 8:40 Uhr läuft der Zug am Bahnsteig ein. Tim-Simon und ich marschieren zusammen mit Tia über Brücken, die drei Werraarme überqueren auf die rechte Seite des Flusses, durch mittelalterliche Gassen, an der Stadtmauer entlang aus der Stadt hinaus Richtung Norden. Durch die Werraauen, Tia springt vergnügt vornweg, gelangen wir nach Wahlhausen, dem eigentlichen Startpunkt unserer Wanderung (hier endete unsere letzte Etappe). Am Straßenrand steht noch eine alte DDR-Grenzsäule in vergilbten Farben. Die damalige Grenze verlief in der Flussmitte der Werra, das Ufer war mit Zäunen gesichert. An der Stätte der Begegnung wurde 1990 eine Linde zur Erinnerung gepflanzt, wo früher Stacheldraht Deutschland teilte. Daran ist Tia weniger interessiert, sie schaut gebannt auf die Stockenten im Wasser.

Wir laufen den neuen Radweg entlang. Auf Höhe Ellershausen, das auf der anderen Werraseite liegt, steht eine schmucke grüne Rasthütte. Das kommt uns gelegen für unser zweites Frühstück (Tims erstes). Drinnen stehen Bänke und ein Tisch. Da können wir all unseren Proviant auftafeln. Tia buddelt inzwischen nach Mäusen. Zum Glück fängt sie keine. Die Schnauze ist voller Erde. So ein Dreckspatz.

Wir beschließen, bis Lindewerra auf dem ebenen Fahrradweg zu bleiben und nicht über den Trimberg zu laufen, das wäre zu viel Trimm dich. Viertel nach Elf erreichen wir den Ort. Tim ist stolz auf seinen originalen Wanderstock aus Lindewerra, der nun heute wieder an die Stätte seiner Erschaffung zurückkommt. Wir nehmen den gemütlicheren Theodor- Storm-Weg entlang des Höhebergkammes nach oben, um von dort auf das große Hufeisen, das die Werra hier bildet, hinabsehen zu können. Auch wenn Storm von einem steilen Anstieg spricht, die Route über den ehemaligen Kolonnenweg ist noch viel steiler. Wir sind ihn vor Jahren stellenweise rückwärts hinaufgegangen.

Der berühmte Autor des Schimmelreiters und anderer Novellen, Erzählungen, Märchen und Gedichte war von 1856 bis 1864 Amtsrichter in Heiligenstadt. Er wanderte im Mail 1857 mit seiner Familie auf dem gleichen Weg wie wir zur Teufelskanzel und beschrieb das Erlebte in seiner Novelle „Eine Malerarbeit“ von 1867. „Endlich langte man in einem Dorfe unterhalb des Gebirges an, von wo aus es zu Fuß nach der Teufelskanzel hinaufgehen sollte, einem breiten Felsvorsprunge, zu dem ein ziemlich steiler Weg etwa eine Stunde lang durch niedriges Gebüsch hinaufführte. … Endlich war die Teufelskanzel erreicht. Sie war nicht unbefugt, diesen Namen zu führen; lotrecht schoss der Fels über hundert Klafter in die Tiefe, wo sich unten im Sonnenglanz die lachendste Landschaft ausbreitete. Durch grüne Wiesen, an Dörfern und Wäldern vorbei, floss in vielen Krümmungen ein glänzender Strom, dessen Rauschen in der Mittagsstille zu uns heraufklang und darüber her, in gleicher Höhe mit uns, standen die Lerchen flügelschlagend in der Luft und mischten ihren Gesang in die Musik der Wellen. Wer dessen noch fähig war, der musste hier von Lebens- und Liebeslust bestürmt werden…“

Heute, an diesem trüben Ostersonntag, begegnen wir an diesem beliebten Wanderziel etlichen Ausflüglern, obwohl das Lokal wegen der Pandemie geschlossen ist. So können wir die Stille nicht wie Theodor Storm genießen. Wir laufen weiter auf dem Höheberg bis zu dessen höchster Erhebung, der Junkerkuppe mit 511 Metern, und weiter zum Ministerblick. Von hier aus kann man direkt auf Lindewerra an der Flussschleife schauen. Kürzlich wurde ein kleiner Aussichtsturm errichtet, von dessen Plattform man auch nicht besser sieht als von seinem Fuß aus. Etwas abseits steht eine alte Picknicksitzgruppe mit Dach. Hier lassen wir uns für unser Mittagessen nieder. Es gibt Pasta, die ich am Vorabend mit Tomatensauce und Käse bereitet habe. Doch leider habe ich vergessen, die Gabeln einzupacken. Mit den Fingern zu essen, gelingt mir nicht wirklich. Also stellen wir die Nudeln zurück in den Rucksack. Zum Glück ist noch genügend anderes da. Als Tia immer wieder im Wald verschwindet und trotz Rufen nicht auf ihr Frauchen hört, binde ich die Leine an der Bank fest. Auch sie lässt sich nun nieder und ruht sich aus.

Nun ist es nicht mehr weit bis zur Burg Hanstein. Als sie in Sicht kommt, lässt sich auch die Sonne blicken. So leuchten die Burg und die umgebenden Häuser mit ihren roten Dächern herüber sowie gelbe Forsythien als Kontrast. Wir können uns kaum von dem schönen Anblick losreißen und bleiben eine Weile auf einer Bank gegenüber sitzen.

Der nun folgende Abschnitt der Tour durch die Dörfer Bornhagen, Hohengandern, Kirchgandern bis nach Rustenfelde ist uns unbekannt. Hinter Bornhagen erreichen wir den Wald. Noch einmal bietet sich ein schöner Blick zurück auf die Burg. Dann geht es auf breiten Forststraßen Richtung Hohengandern. Fünf Rehe springen vor uns über den Weg und sprinten mit weiten Sprüngen über das Feld. Noch lange sehen wir ihre weißen Hinterteile. Tia bleibt erstaunlich ruhig. In Hohengandern müssen wir ein Stück an der Bundesstraße entlanglaufen. Dabei kommt unser heutiges Tagesziel ins Blickfeld, der Rusteberg, an dem Rustenfelde liegt. Diese markante, steil aufragende, bewaldete Kuppe ist weithin sichtbar. Vor Kirchgandern überqueren wir die Leine auf einer Holzbrücke. An einem Gartenzaun hängt ein Schild, das einen großen, bösartigen Hund mit einem menschlichen Bein im Maul zeigt: Katzen IIII IIII II Einbrecher IIII IIII Bayernfans IIII IIII IIII IIII IIII IIII IIII IIII III

Tim findet das lustig und macht ein Foto. Wir gelangen auf einen Kreuzweg, der auch ein Weg der Geschichte ist. Ich lese die Tafeln mit den Erinnerungen von Menschen hier aus dem Ort an den eisernen Vorhang und an ihre Gedanken als die Mauer fiel. Das macht Lust auf mehr und ich nehme mir vor, wiederzukommen, um auch die restlichen Geschichten kennenzulernen.

Auf der Höhe, auf einer hölzernen Sitzbank, die sich windgeschützt an eine Hecke schmiegt, machen wir erneut Rast, um die Thermoskannen zu leeren und ein paar Hallorenkugeln zu naschen. Dabei beobachten wir zwei Rote Milane, die die Thermik nutzend am Himmel große Kreise ziehen. Tim, der sein Segelfliegen vermisst, ist ganz neidisch. Ein Mann mittleren Alters kommt mit verkniffenem Gesicht vorbeigestapft. Wir sagen Hallo. Er grüßt zurück „Frohe Ostern“. Aber wie er es sagt, klingt es eher wie eine Kampfansage. Betont freundlich wünsche ich ihm schöne Ostern.

Aber es gibt auch nette Leute. In der Nähe der Magdalenenkapelle treffen wir auf eine Großfamilie mit einem Bolonka, einer kleinen, russischen Hunderasse. Sie erkundigen sich nach Tia und wir lassen vorsichtig die beiden sich beschnüffeln. Wenn so ein kleiner Hund vor Angst außer sich gerät, wild kläfft und knurrt, dafür hat Tia gar kein Verständnis. Bei so einer Gelegenheit wurde sie schon zur „Bolonkaknipserin“. Das Ergebnis: ein Knäul Hund, ein Fiepen, ein blutendes Ohr, das genäht werden musste. Zum Glück hat die Versicherung die Kosten übernommen.

Dieses Mal geht alles gut. Der Kleine ist nicht wütend, sondern eher an Tias Hinterteil interessiert. Tia wendet sich beleidigt ab. Sie hat keine Lust, mit dem Kleinen zu spielen. Ein letzter Blick zurück auf Burg Hanstein im Dunst, durch Wald wandern wir bergab nach Rustenfelde. Zehn Minuten später sind wir da. Nach 27 km und 9 Stunden haben wir unser Tagesziel erreicht. Wir setzen uns auf eine Bank mit Blick auf den Rusteberg und genießen den Augenblick.

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